Larissa* ist 15 Jahre alt und seit zwei Monaten auf einer der Psychotherapiestationen für Jugendliche in Littenheid. Im Moment bereitet sie sich auf ihren Austritt vor. Zu Beginn fand sie Achtsamkeitsübungen seltsam und nahm kaum etwas wahr. «Inzwischen», sagt sie, «ist Achtsamkeit zu einem wichtigen Teil meines Lebens geworden. Man kann wirklich lernen, achtsam zu sein.»
Larissa, was bedeutet Achtsamkeit für dich?
Achtsamkeit bedeutet für mich, mich auf den Moment zu konzentrieren, ohne an die Vergangenheit oder Zukunft zu denken. Es geht darum, zu spüren, was gerade passiert, zum Beispiel wahrzunehmen, dass ich gerade auf einem Stuhl mit weichem, warmem Polster sitze. Wenn ich das mache, fühle ich mich weniger gestresst. Es hilft mir, nicht in eine Hochanspannung zu kommen.
Wie wendest du Achtsamkeit an?
Wenn ich merke, dass ich mich sehr über etwas aufrege oder meine Gedanken anfangen zu kreisen, versuche ich, meinen Atem zu spüren oder mich auf meine Umgebung zu konzentrieren. Zum Beispiel, indem ich spazieren gehe. Dann achte ich auf das, was ich sehe, höre oder spüre – den Wind und das Wetter. So bekomme ich den Kopf frei. Das funktioniert zwar nicht immer, aber immer besser.
In welchen Situationen nutzt du Achtsamkeit am meisten?
Meistens, wenn ich mich gestresst oder überfordert fühle. Auch wenn ich wütend bin oder mich mit jemandem streite, versuche ich, nicht sofort zu reagieren, sondern erstmal durchzuatmen. Achtsamkeitsübungen helfen mir auch, besser einschlafen zu können.
Welche Techniken verwendest du konkret?
Ich habe gelernt, auf Frühwarnzeichen zu achten. Wenn ich merke, dass meine Anspannung zunimmt, wenn meine Emotionen zu stark werden oder wenn meine Gedanken mich überlasten, atme ich meistens zuerst tief ein und aus, um mich zu beruhigen. Ich achte dabei bewusst darauf, über die Nase in den Bauch zu atmen und meine Lungen mit Sauerstoff zu füllen. Dann lasse ich die Luft langsam und solange ich kann durch den Mund entgleiten. Wenn ich mich wieder ein bisschen besser konzentrieren kann, versuche ich, meine Gedanken aktiv in eine Richtung zu lenken. Zum Beispiel denke ich an ein Tier und stelle es mir vor meinem geistigen Auge ganz genau vor.
Hast du das Gefühl, dass es dir hilft?
Ja, es hilft, mich weniger von meinen Gefühlen überrollen zu lassen und mich mehr auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
Was würdest du deinen Kolleginnen und Kollegen raten?
Probiert es aus und übt euch in Achtsamkeit! Es ist zwar nicht immer einfach, aber es klappt mit jedem Versuch besser. Dranbleiben lohnt sich!
*Name geändert
Teil 1: Positive Effekte
Teil 2: Herkunft und Anwendung
Teil 3: Wechselwirkung mit psychischen Störungen