Wie in Teil 1: Symptome und Diagnose beschrieben, ist eine Borderline-Störung durch verschiedene Symptome gekennzeichnet. Eine psychische Störung lässt sich selten auf eine einzelne Ursache zurückführen. Ein Erklärungsmodell dafür ist das Bio-psycho-soziale Krankheitsmodell, welches in der modernen Psychologie häufig angewendet wird. Demnach werden, wie der Name impliziert, Krankheiten aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet – der Biologie, der Psychologie und dem sozialen Bereich, wie z.B. der Umwelt.
Aus der biologischen Sicht werden Krankheiten bezüglich der körperlichen Symptome beurteilt. Dabei geht es häufig um die Frage, ob eine Krankheit vererbbar ist. Auch der Einfluss von verschiedenen Organen auf die Entstehung der Krankheit ist von grosser Relevanz – besonders in Anbetracht der Behandlung.
Die psychologische Sichtweise befasst sich besonders mit den Verarbeitungsprozessen von Gefühlen und Gedanken. Und zuletzt wird jede Krankheit noch aus der sozialen Perspektive betrachtet, also welchen Einfluss hat das Umfeld (Familie, Freunde, ferner auch die Kultur) auf die Entstehung einer Krankheit. Folglich wirken mehrere Faktoren so zusammen, dass sich eine Störung entwickeln kann.
Auch bei einer Borderline-Störung sind verschiedene Faktoren für eine Entstehung der Krankheit ursächlich. Im Folgenden werden Umwelt-, neurobiologische und die genetischen Einflüsse betrachtet, welche eine wichtige Rolle bei der Entstehung einer Borderline-Störung spielen können.
Ätiologie
Ein entscheidender Faktor für die Entstehung einer Borderline-Störung sind traumatische Erlebnisse in der frühen Kindheit. Häufig berichten Betroffene einer Borderline-Störung über zum Teil schwere kindliche Traumata. In Studien zeigen bis zu 40 % der Patienten mit Borderlinestörung das zusätzliche Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung, bis zu 80 % traumatische Erlebnisse in ihrer Kindheit. Zur Trauma Definition wird auf den Blog Posttraumatische Belastungsstörung verwiesen.
Grundsätzlich werden anhand von Dauer, Häufigkeit und Intensität zwei Typen von Traumata unterschieden:
Typ-I: plötzlich eintretende Einzelereignisse wie Unfälle, Überfälle, kurzdauernde Katastrophen, sexuelle Traumen
Typ-II: langdauernde traumatische Ereignisse oder sich immer wieder wiederholende Einzelereignisse. Dazu gehören langdauernde Naturkatastrophen, langdauernde Traumatisierung mit Gewalt, Entwertung und sexueller Gewalt inner- und ausserfamiliär, im Kindes – und Erwachsenenalter
Einteilung der Traumata bzgl. Dauer, Intensität und Verursachung (je intensiver die Blaufärbung, desto ausgeprägter die Symptomatik) nach Maerker und Karl 2005
Betroffene einer Borderline-Störung erleiden solche Traumata oftmals durch wichtigen Bezugspersonen. Das Verhältnis zur Bezugsperson kommt dann in einen Widerspruch. Einerseits ist es eine geliebte und schützende Person, andererseits fügt sie den Betroffenen Schaden zu und erscheint in einem Licht der «Täterschaft». Dieser Widerspruch ist besonders für Kinder schwierig zu verarbeiten. Deshalb werden häufig negative Gefühle gegen sich selbst empfunden – und es kann zu selbstschädigendem Verhalten führen.
Neuere Studien berichten, dass die Hälfte aller Borderline-Patienten ein Typ-I und/oder ein Typ-II Trauma in ihrer Kindheit erfuhren. Die andere Hälfte gab an, alle drei Typen der Traumata erlebt zu haben.
Genetische Veranlagung
Ein weiterer Faktor für die Entstehung einer Borderline-Störung ist die genetische Veranlagung. Die Forschung geht davon aus, dass etwa 40% der Borderline-Störungen auf den genetischen Einfluss zurückzuführen seien. Jedoch konnten noch keine bestimmten Gene für die Entstehung der Krankheit gefunden werden.
Neurobiologie
Ein weiterer Faktor in der Entstehung einer Borderline-Störung ist die Funktionsweise des Gehirns. Wie im Teil 1: Symptome und Diagnose erwähnt, leiden Betroffene an einer geringeren Impulskontrolle. Sie erleben intensive Anspannungszustände und werden von ihren Gefühlen überwältigt, so kann es zu extremen Wutausbrüchen kommen. Ein Grund dafür ist, dass bei Borderline-Patienten das Hirnareal für die Impulskontrolle mangelhaft funktioniert. Des weiteren zeigen sich Fehlfunktionen in den beiden Hirnarealen, die für das Gedächtnis und die Gefühlsreaktionen verantwortlich sind.
Im dritten von vier Teilen werden die Behandlungsmöglichkeiten einer Borderline-Störung beschrieben.