Intellektuelle Entwicklungsstörung: Häufigkeiten und Ursachen

Intellektuelle Entwicklungsstörung: Häufigkeiten und Ursachen

Im ersten Beitrag zum Thema Intellektuelle Entwicklungsstörung lassen sich Informationen zur Häufigkeit, Definition, Schweregradeinteilung und Ursachen finden.

Die Intellektuelle Entwicklungsstörung beschreibt Menschen mit intellektuellen Beeinträchtigungen. Der häufig verwendete Begriff “geistige Behinderung” wird in der medizinischen Klassifikation nicht verwendet. Gemäss ICD-10 wird von Intelligenzminderung gesprochen. Mit der aktualisierten Klassifikation, der ICD-11, wird diese umbenannt in Intellektuelle Entwicklungsstörung. Eine Intellektuelle Entwicklungsstörung bezeichnet ein stabiles Merkmal, das zu einer Funktionsbeeinträchtigung führt. Demnach können dem Alter entsprechende Fertigkeiten und Entwicklungsaufgaben nicht gemeistert werden. In der Allgemeinbevölkerung tritt die Intellektuelle Entwicklungsstörung bei 0.6 bis 1.8% der Personen auf. Im Kindes- und Jugendalter, also bei Personen zwischen 3 und 17 Jahren, wird eine Prävalenz von 1.1% berichtet. Gewisse Schätzungen geben sogar eine Prävalenz von bis zu 3% an. Einen Einfluss auf die Schätzung der Prävalenz nimmt, welcher Schweregrad berücksichtigt wird.

Definition einer Intellektuellen Entwicklungsstörung
Gemäss ICD-10 wird eine Intellektuelle Entwicklungsstörung als eine Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten definiert. Die geistigen Fähigkeiten bleiben in der Entwicklung stehen oder entwickeln sich unvollständig. Besonders beeinträchtigt werden dabei Fähigkeiten, die bei der Ermittlung des Intelligenzniveaus bedeutsam sind. Dazu gehört die Kognition, Sprachfertigkeit sowie motorische und soziale Fähigkeiten. Die rechtliche Definition besagt, dass betroffene Menschen um mindesten sechs Monate von der alterstypischen körperlichen Funktion, geistigen Fähigkeit oder seelischen Gesundheit abweichen müssen und dadurch von der gesellschaftlichen Teilhabe eingeschränkt sein müssen.

Gemäss DSM 5 werden drei Bereiche der Beeinträchtigung definiert. Der erste Bereich umfasst konzeptionelle Fähigkeiten, wie die Sprache, das Lesen, Schreiben, mathematische Fähigkeiten, Urteilsvermögen, Denken, Wissen und Gedächtnis. Der zweite Bereich umfasst soziale Fertigkeiten, wie Empathie, soziales Urteilsvermögen, Kommunikationsfähigkeiten und Beziehungsgestaltung. Die letzte Domäne beschreibt praktische Fähigkeiten, wie Selbstmanagement, das Aufrechterhalten von Körperhygiene, berufliche Verantwortlichkeit, Finanzplanung, Freizeitgestaltung und Schulbesuch.

Schweregradeinteilung der Intellektuellen Entwicklungsstörung
Die Schweregradeinteilung erfolgt in vier Stufen: leicht, mittelgradig, schwer und schwerste Ausprägungen. Die Einteilung dient jedoch nur zur groben Orientierung. Im ICD-10 werden sowohl die Intelligenzquotienten als auch phänomenologische Beschreibungen berücksichtigt. Gemäss ICD-10 liegt eine leichte Intellektuelle Entwicklungsstörung vor, wenn sich der IQ im Bereich von 50-69 befindet, Lernschwierigkeiten in der Schule vorliegen, aber dennoch Erwachsene arbeitstätig sein, soziale Beziehung aufrechterhalten und einen Beitrag zur Gesellschaft leisten können. Eine mittelgradige Intellektuelle Entwicklungsstörung zeichnet sich durch einen IQ zwischen 35-49 aus. Es können deutliche Entwicklungsverzögerungen in der Kindheit beobachtet werden. Betroffene erhalten jedoch ein gewisses Mass an Unabhängigkeit, verfügen über ausreichende Kommunikationsfähigkeiten und können mit entsprechender Förderung eine Ausbildung abschliessen. Erwachsene benötigen Unterstützung im Alltag sowie bei der Arbeit. Eine schwere Intellektuelle Entwicklungsstörung liegt vor, wenn der IQ im Bereich von 20-34 liegt. Betroffene benötigen andauernde Unterstützung. Eine schwerste Intellektuelle Entwicklungsstörung liegt bei einem IQ unter 20 vor. Betroffene sind in der eigenen Versorgung, Kontinenz, Kommunikation und Beweglichkeit stark eingeschränkt und benötigen dauerhafte Unterstützung.

Ursachen einer Intellektuellen Entwicklungsstörung
Es gibt sowohl innere als auch äussere Faktoren, die eine Intellektuelle Entwicklungsstörung verursachen können. Die häufigste vermeidbare Verursachung durch äussere Faktoren stellt weltweit der Jodmangel dar. Zumeist sind jedoch innere Faktoren, wie genetische Ursachen, die Hauptverursacher einer Intellektuellen Entwicklungsstörung.

Die inneren Ursachen können in drei Kategorien unterteilt werden, pränatale Ursachen, perinatale Ursachen und postnatale Ursachen. Pränatale Ursachen bezeichnen Faktoren, die bereits vor der Geburt entstehen. Zu den pränatalen Ursachen gehören genetische Faktoren. Hier können zum Beispiel chromosomale Störungen, syndromale Einzelgenerkrankungen, nicht-syndromale Einzelgenerkrankungen sowie metabolische Erkrankungen zu einer Intellektuellen Entwicklungsstörung führen. Weiter gehören auch erworbene Ursachen in die Kategorie der pränatalen Ursachen. Die Intellektuelle Entwicklungsstörung kann zum Beispiel durch das fetale Alkoholsyndrom oder durch anderen Substanzmissbrauch während der Schwangerschaft, eine Fehlernährung, Infektionen oder einen Schlaganfall ausgelöst werden. Zuletzt gibt es auch unbekannte pränatale Ursachen.

Die perinatalen Ursachen beinhalten Vorkommnisse, die während der Geburt stattfinden. Dazu gehört ein Sauerstoffmangel bei der Geburt, Infektionen, ein Schlaganfall, ein tiefes Geburtsgewicht, metabolische Störungen sowie Giftstoffe.

Die postnatalen Ursachen bezeichnen Faktoren, die nach der Geburt auftreten. Zu diesen Faktoren gehören Infektionen, Schlaganfälle, Traumata, Ernährungsmangel sowie Armut.

Zuletzt gibt es auch unbekannte Ursachen, die entweder familiären oder nicht-familiären Ursprungs sind.

Teil 2: Diagnostik

Teil 3: Psychiatrische Komorbiditäten

Teil 4: Therapie

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