Das Erlernen der Schriftsprache ist eine wichtige Schlüsselkompetenz in der Entwicklung eines Kindes. Probleme beim Erwerb der Lese- und Rechtschreibfähigkeiten können, wenn sie nicht adäquat behandelt werden, zu Schulversagen und einer generellen Beeinträchtigung der sozialen Entwicklung führen. Diese Situation stellt für das Kind einen Risikofaktor dar, an einer weiteren psychischen Störung, wie zum Beispiel einer Depression oder einer sozialen Angststörung zu erkranken. Deshalb handelt es sich bei der Lese- und Rechtschreibstörung um eine potentiell stark einschränkende Entwicklungsstörung. Aufgrund der hohen klinischen Relevanz wird empfohlen, möglichst früh mit einer Behandlung zu beginnen. Die Behandlung einer Lese- und Rechtschreibstörung ist multimodal und zeichnet sich durch verschiedene Behandlungskomponenten aus.
Zu Beginn einer Behandlung steht immer eine ausführliche Abklärung der vorliegenden Symptome der Lese- und Rechtschreibstörung, der sozialen und schulischen Situation des Kindes und gegebenenfalls von Symptomen anderer psychischer Störungen. Die weitere Behandlung richtet sich anschliessend an der Ausprägung der Lese- und Rechtschreibstörung und dem Vorliegen begleitender Symptome aus. Zudem werden die Eltern und soweit möglich die betroffenen Kinder (altersangemessene Information) über die Störung, ihre möglichen Ursachen und die Behandlungsmöglichkeiten informiert. Die Elternarbeit ist von besonderer Bedeutung, da diese Beratungsgespräche oftmals bei den Eltern zu einer deutlichen psychischen Entlastung führen. Zusätzlich können auch die Lehrkräfte beraten werden, um eine optimale Integration des Kindes in den schulischen Alltag zu ermöglichen.
Im Zentrum der Behandlung einer Lese- und Rechtschreibstörung stehen spezifische Förderprogramme zur Verbesserung ebendieser Fähigkeiten. Förderprogramme zur Verbesserung der Lese- und Rechtschreibfähigkeit orientieren sich an den Stufen des altersgerechten Schriftsprachenerwerbs und verfügen über umfangreiches Übungsmaterial. Häufig sind die Förderprogramme für Schulkinder in den ersten Klassen konzipiert, um die alphabetische Stufe des Schriftsprachenerwerbs zu fördern. Dazu gehören Übungen zur Verbesserung des phonologischen Bewusstseins, der Untergliederung des Sprachflusses in Silben und Förderung des orthografischen Regelwissens. Damit die Effekte von spezifischen Förderprogrammen auch automatisiert werden und sich somit überdauernde Effekte erreichen lassen, erfordert es häufiges Lernen und Wiederholen der Übungen. Dieser Prozess benötigt sowohl vom therapeutischen Fachpersonal als auch von den Eltern oder den Lehrkräften viel Geduld. Der Leistungsdruck während der Übungen könnte sich negativ auf das betroffene Kind auswirken. Aus diesem Grund wird das soziale Netzwerk des Kindes in der Behandlung beraten und im Umgang mit schwierigen Situationen geschult. Das trägt zur Förderung einer angenehmen und verständnisvollen Lernatmosphäre bei, in der sich das Kind sicher fühlen kann.
Vielfach empfiehlt sich neben den spezifischen Förderprogrammen zusätzlich eine psychotherapeutische Unterstützung, um mögliche begleitende Probleme zu behandeln. Etwa die Hälfte aller Kinder mit einer Lese- und Rechtschreibstörung leiden an Symptomen einer anderen psychischen Störung. Zum Beispiel können begleitende depressive Symptome verhindern, dass sich die Lese- und Rechtschreibstörung des Kindes verbessert. Deshalb gilt es in der Behandlung diesen Teufelskreis zu unterbrechen. Eine medikamentöse Behandlung der Lese- und Rechtschreibstörung ist in der Regel nicht vorgesehen.