Lese- und Rechtschreibstörung: Geschichte einer Patientin

Lese- und Rechtschreibstörung: Geschichte einer Patientin

Raffaela* hat eine Lese- und Rechtschreibestörung. Wenn nicht in Deutsch, so konnte sie aber immer in andern Disziplinen glänzen.

Dass sie unter einer Lese- und Rechtschreibestörung litt, merkte Raffaela am Anfang gar nicht. Das Lesen, das Schreiben und auch das Lernen waren ihr einfach immer schwergefallen. Sie fühlte sich dadurch schon im frühen Primarschulalter stetig unter Druck und begann, heftig zu stottern. Eine Abklärung des KJPD ergab eine ADHS-Diagnose. Viele Schulwechsel und täglich bis zu zwei Stunden Schulweg belasteten das junge Mädchen zusätzlich.

Da in Raffaelas Privatschule der Unterricht recht frei gestaltet wurde, fiel zuerst nicht so sehr auf, dass sie Mühe mit Lesen und Schreiben hatte. Bei den Deutschprüfungen schrieb sie aber immer die schlechteste Note der ganzen Klasse und musste sich vor ihren Mitschülerinnen und -schülern dafür rechtfertigen. So hat sie angefangen, sich an Prüfungstagen von der Schule abzumelden. Und manchmal ist sie auch unentschuldigt nicht hingegangen. Ihre Noten hatten sich dadurch noch mehr verschlechtert – ein Teufelskreis!

Als Raffaela etwa zwölf Jahre alt war, wurde ihre Familiensituation schwierig. Alles drehte sich nur um die psychisch kranke Schwester und mit dem Stiefvater kam sie auch nicht klar. Raffaela begann, sich selbst zu verletzen. «Damit ich mich spüren konnte», sagt sie. Im vergangenen Jahr merkte sie, dass es so nicht mehr weitergehen kann. So verbrachte sie drei Monate auf einer Psychotherapiestation für Jugendliche bei Clienia in Littenheid, wo neben anderen erstmals die Diagnose «Lese- und Rechtschreibestörung» diagnostiziert wurde. «Jetzt hat die Schwäche einfach einen Namen, aber geändert hat sich dadurch nicht viel», sagt sie. In der Klinikschule habe sie aber Aufgaben erhalten, die ihr halfen, gute Strategien für sie zu finden.

Seit ihrem Klinikaufenthalt, der ihr nach eigenen Angaben sehr gut tat, verletzt sie sich heute nicht mehr. Sie hat gelernt, Skills anzuwenden, um sich abzulenken und Belastungen auszuhalten. «Es gibt zwar immer wieder auch schwierige Phasen, aber sie gehen wieder vorbei», sagt Raffaela. Inzwischen konnte sie in eine Kleinklasse an ihrem Wohnort wechseln. Dort ist es möglich, dass sie nach Hause gehen kann, wenn sie sich nicht gut fühlt. Auch wenn sie Defizite in Deutsch hat, konnte sie immer in andern Fächern punkten. «Etwas mit den Händen zu schaffen, das gefällt mir und oft bin ich darin die Beste». Auch wenn ihr die Rechtschreibung nach wie vor Probleme bereitet, kommt sie heute gut über die Runden. «Eine Schriftstellerin werde ich in diesem Leben aber wohl nicht mehr werden», sagt sie und grinst.

*Name geändert

Teil 1: Symptome und Diagnose

Teil 2: Ursachen

Teil 3: Behandlung

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