Non-Binarität und Geschlechtsidentitäten: Einführung

Non-Binarität und Geschlechtsidentitäten: Einführung

Non-binäre Menschen identifizieren sich mit einer Geschlechtsidentität, die offen, dimensional und wandelbar ist. Mit ihr wandeln sich auch die Begrifflichkeiten.

Was ist Geschlechtsidentität?
Das Bewusstsein über unser Geschlecht wird als Geschlechtsidentität bezeichnet. Geschlechtsidentität ist ein tiefes inneres Empfinden, das weder von aussen zugeordnet, noch von aussen abgelesen werden kann. Geschlechtsidentität ist somit unabhängig vom Erscheinungsbild; sie kann, aber muss nicht durch äusserliche Merkmale ausgedrückt werden. Geschlechtsidentität kann sich mit dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht decken, muss dies aber nicht. Menschen werden nicht mit einer Geschlechtsidentität geboren, vielmehr bildet sich dieses Bewusstsein im Kindesalter in Auseinandersetzung mit dem Umfeld aus. In einem Feld aus äusseren Zuordnungen und innerem Zugehörigkeitsgefühl, exploriert das Kind und beginnt sich selbst mit seinen Vorlieben und Bedürfnissen zu verorten. Im Abgleich mit vorgelebten Geschlechtskategorien, welche sich stimmig oder inkongruent anfühlen mögen, bildet sich ein Bewusstsein für die eigene Geschlechtsidentität. 

Spektrum statt Kategorien
Geschlechtsidentität muss nicht in Kategorien empfunden werden, sie kann sich vielmehr auf einem Spektrum zwischen weiblich und männlich bewegen. Verschiedene Ebenen dieser Identität wie inneres Empfinden, Ausdruck in Kleidung, geschlechtsbezogenes Verhalten oder körperliche Merkmale müssen sich dabei nicht decken. Wie die Regler eines Mischpults verortet sich die Identität auf all diesen Ebenen etwas näher beim einen oder anderen Pol und wird laufend adjustiert. Aus dem Zusammenspiel der Ebenen bildet sich eine persönlich als stimmig empfundene, geschlechtsbezogene Identität.

Non-Binarität
Non-binäre Personen fühlen sich in ihrer Identität weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet. Eine Person kann zudem genderfluid sein und zwischen männlichem und weiblichem Identitätsgefühl wechseln. Wieder andere Personen empfinden überhaupt keine klare innere Geschlechtszuordnung und fühlen sich geschlechtsneutral (agender).

Transidentität
Das Adjektiv trans oder transgender bezeichnet eine Geschlechtsidentität, die nicht dem Geschlecht entspricht, welches bei Geburt zugeordnet wurde. Als trans Frau wird eine Person mit weiblicher Geschlechtsidentität bezeichnet, die bei Geburt aufgrund äusserlicher Merkmale dem männlichen Geschlecht zugeordnet wurde. Umgekehrt beschreibt trans Mann eine Person, die sich als männlich identifiziert, der bei Geburt jedoch ein weibliches Geschlecht zugewiesen wurde. Ungefähr 20% der trans Personen identifizieren sich als non-binär. Um non-binäre Personen mit einzuschliessen und die Vielfalt von Geschlechtsidentitäten auszudrücken, wird manchmal ein * hinter trans gesetzt. Cisgender bezeichnet das Gegenteil von trans und beschreibt eine Geschlechtsidentität, die sich mit dem Geschlecht deckt, welches bei Geburt zugewiesen wurde. 

Geschlechtsidentität und Sexualität
Der früher verwendete Begriff Transsexualität wird heute möglichst nicht mehr gebraucht. Geschlechtsidentität hat nichts mit sexueller Orientierung zu tun. Ebenso wie eine cisgender Person kann eine trans Person beispielsweise bisexuell oder homosexuell sein. Ob und wie jemand Sexualität lebt, beschreibt nicht die Geschlechtsidentität einer Person. 

Körperliche Vielfalt
Geschlechtsidentität ist zudem von Intergeschlechtlichkeit zu trennen. Intergeschlechtliche Personen werden mit körperlichen Merkmalen geboren, die medizinisch nicht eindeutig zugeordnet werden können. Ebenso wie sich Personen körperlich zwischen den Geschlechtern verorten können (Intergeschlechtlichkeit), können sich Personen in ihrem innerlich empfundenen Geschlecht zwischen den Geschlechtern einordnen (Geschlechtsidentität).

Geschlechtsinkongruenz und Geschlechtsdysphorie
Wenn sich das innere Empfinden des eigenen Geschlechts (Geschlechtsidentität) nicht mit den äusseren körperlichen Merkmalen bzw. dem bei Geburt zugeordneten Geschlecht deckt, wird dies als Geschlechtsinkongruenz bezeichnet. Leidet die Person unter dieser Diskrepanz, bezeichnen dies medizinische Manuale als Geschlechtsdysphorie. Im Unterschied zu früher werden beide Begriffe nicht mehr als psychische Störungen definiert. Der Begriff Transsexualität wird bewusst nicht mehr verwendet, da er in den Manualen als psychische Erkrankung geführt wurde. Die Veränderung der Begrifflichkeiten drückt demnach einen wichtigen Wandel in der Haltung gegenüber Geschlechtsidentitäten aus. 

 

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