Selbsthilfe: Einführung

Selbsthilfe: Einführung

Eine psychische oder körperliche Erkrankung kann sowohl für die betroffene Person, als auch für die Angehörigen eine herausfordernde und belastende Lebenssituation darstellen. In solch einer schwierigen Situation fühlt man sich oftmals überfordert, hilflos und ohnmächtig. Die Möglichkeit, sich dann mit Menschen in ähnlichen Situationen auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen, kann sehr hilfreich sein. Diese Form der gegenseitigen Unterstützung bezeichnet man als «gemeinschftliche Selbsthilfe» oder kurz «Selbsthilfe». Die gemeinschaftliche Selbsthilfe ist in der Schweiz ein wichtiger Bestandteil des Gesundheitssystems. Das Angebot wird in regionalen Selbsthilfezentren organisiert, die Stiftung «Selbsthilfe Schweiz» dient als Koordinationsstelle und hat einen Leistungsauftrag des Bundesamtes für Sozialversicherungen (BSV). Auch die Kantone vergeben Leistungsaufträge an die Selbsthilfe. Die Angebote der Selbsthilfe werden zusätzlich über Spenden sowie sehr viel Freiwilligenarbeit ermöglicht und nicht über die Krankenkasse abgerechnet. Im Folgenden führt Clienia in das Thema der gemeinschaftlichen Selbsthilfe ein.

Was ist Selbsthilfe?

Die zentrale Idee der Selbsthilfe besteht darin, dass sich Menschen mit denselben Erkrankungen oder anderen Lebenskrisen und Herausforderungen organisieren und gegenseitig unterstützen. Es wäre also ein Missverständnis, «Selbsthilfe» so zu verstehen, dass sich Personen – gemäss dem eigentlichen Wortsinn – allein und eigenständig selbst helfen müssen, um die aktuelle Krisensituation zu meistern. Der Begriff der «gemeinschaftlichen Selbsthilfe» trifft es deshalb besser. Die gemeinschaftliche Selbsthilfe ist ein kollektiver Prozess, in dem sich Betroffene und Angehörige gegenseitig unterstützen und helfen. Man trifft sich freiwillig und regelmässig, um die Situation, Fragen, Sorgen und Anliegen sowie bisherige Erfahrungen damit zu besprechen. Das Ziel der Selbsthilfe ist es, mittels dem Austausch mit anderen Betroffenen die eigene Lebenssituation angemessen bewältigen zu können. Die Teilnehmenden sind dabei Expertinnen und Experten in eigener Sache, wobei sie ihr wichtiges Erfahrungswissen mit anderen Personen teilen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. In der gemeinschaftlichen Selbsthilfe können sich Betroffene austauschen, informieren, gegenseitig Mut zusprechen und gemeinsame Interessen gegen aussen vertreten. Die Teilnehmenden lernen voneinander, wie sie besser mit der Krisensituation umgehen, ihr Gesundheitsverhalten verändern oder ihre Lebensqualität – trotz gesundheitlichen Einschränkungen – verbessern können. Im Zentrum jeder Selbsthilfegruppe steht dabei das vertrauensvolle und offene Gespräch.

Typische Anliegen von Selbsthilfegruppen sind beispielsweise der Umgang mit chronischen oder seltenen Erkrankungen, mit Lebenskrisen oder belastenden sozialen Situationen. Die Themen der gemeinschaftlichen Selbsthilfe reichen von A (wie z.B. einer Abhängigkeitserkrankung) bis Z (z.B. das Leiden an Zwangsgedanken und -handlungen). Es gibt aber auch Selbsthilfegruppen, die sich nicht auf ein spezifisches Thema fokussieren, sondern diesbezüglich offen sind, wie etwa themenoffene Männergruppen. Jede Gruppe definiert ihre Ziele und Inhalte selbst, die Teilnehmenden sind Helfende und Hilfesuchende zugleich. Durch Erkrankung oder Verlust einer nahestehenden Person sind oft auch deren Angehörige betroffen. In Angehörigengruppen der Selbsthilfe haben auch sie die Möglichkeit, sich gegenseitig zu unterstützen und die Herausforderungen gemeinsam anzugehen.

Die Selbsthilfegruppen werden meistens von den Teilnehmenden selbst geleitet. Im Gegensatz zu Therapiegruppen gibt es keine Anleitung durch eine Fachperson. Unter Umständen begleiten aber Selbsthilfeerfahrene oder Mitarbeitende der Selbsthilfe eine Gruppe als Moderatoren. Die Selbsthilfegruppen können in offener Form stattfinden, d.h. mit wechselnden Teilnehmenden jederzeit zugänglich sein, oder als geschlossener Gesprächskreis durchgeführt werden. Auch Selbsthilfegruppen im virtuellen Raum sind möglich. Diese digitale Ausweitung ist besonders für abgelegene Regionen oder immobile Personen ein Gewinn, aber auch für den überregionalen Austausch, z.B. bei seltene Erkrankungen, wenn nur wenige Betroffene in derselben Region leben.

Selbsthilfegruppen sind also keine therapeutische Behandlung, sie können diese aber sinnvoll ergänzen und unterstützen.

Im zweiten Beitrag beleuchtet Clienia die Wirkungsweise der gemeinschaftlichen Selbsthilfe, bevor im dritten Teil die Selbsthilfe in der Schweiz beschrieben wird.

Teil 2: Wirkungsweise
Teil 3: Selbsthilfe in der Schweiz
Teil 4: Geschichte eines Betroffenen

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