Die meisten suizidalen Krisen und Handlungen finden während (meist vorübergehenden) Belastungskrisen oder psychischen Erkrankungen statt. Weder ein einzelnes Ereignis noch eine psychische Krankheit können aber für sich allein genommen einen Suizid(versuch) erklären. Suizidale Krisen entstehen meist durch ein komplexes Zusammenspiel und sind das Resultat einer Verkettung von Faktoren. Übersichtsarbeiten zeigen, dass Suizidgedanken, Suizidversuche und Suizide in der Schweiz in allen Altersgruppen, bei allen Geschlechtern sowie in allen sozioökonomischen Schichten vorkommen. Es zeigt sich aber auch, dass bei bestimmten Personengruppen verschiedene Ursachen und Risikofaktoren dominieren:
Ursachen und Risikofaktoren
In der Altersgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen machen impulsive Handlungen (Kurzschlusshandlungen) die Mehrheit der Suizid(versuche) aus. Als Ursache für suizidale Krisen und Handlungen stehen hier akute Belastungsstörungen, z. B. ausgelöst durch Beziehungsprobleme, Konflikte in Schule, Lehre oder Beruf sowie Aggressionserfahrungen im Vordergrund. Psychische Erkrankungen sind als Faktor nicht ausgeschlossen, insbesondere, da sie bei Jugendlichen nicht ausreichend erkannt und behandelt werden. Als antreibenden Faktor für die suizidale Handlung nannten Jugendliche, die einen Suizidversuch begangen haben, oft Einsamkeitsgefühle und fehlende soziale Ressourcen. Zudem zeigen homo- und bisexuelle männliche Jugendliche auch in der Schweiz eine erhöhte Suizidversuchsrate.
Im Erwachsenenalter sind psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen oder Schizophrenie das Hauptrisiko für einen Suizid(versuch). Depressionen stehen als Mitursache von suizidalen Handlungen im Vordergrund. Sie können in jeder Lebenssituation entstehen, besonders jedoch in Zeiten von Belastungs-, Konflikt- und Übergangsphasen, z. B. Kündigung der Arbeit, Arbeitslosigkeit, Pensionierung, Geburt eines Kindes, Trennung/Scheidung, Verwitwung, Kränkungen, Schulden, Unfall oder Schlaflosigkeit.
Auch im höheren und hohen Lebensalter stehen die psychischen Erkrankungen im Vordergrund. Insbesondere Depressionen, die oft nicht erkannt oder falsch diagnostiziert werden, da sie von somatischen Beschwerden und Erkrankungen überdeckt sind oder dem normalen Prozess des Alterns zugeordnet werden. Körperliche Erkrankungen, Schmerzen und Beeinträchtigungen sowie Schlafstörungen können ebenfalls das Risiko für suizidale Krisen und Handlungen erhöhen. Zur Multimorbidität kommen andere belastende Faktoren wie z.B. soziale Isolation, Verwitwung oder Pflegebelastung.
Schutzfaktoren
Viele Menschen, ob jung oder alt, haben jedoch Leiden und Schicksalsschläge erlebt und sind dennoch nicht suizidal. Es hat sich gezeigt, dass individuelle, soziale und gesellschaftliche Ressourcen vor suizidalen Krisen und Handlungen schützen. Zu diesen Schutzfaktoren gehören beispielsweise das Reden über Belastungen oder ein starkes Netz sozialer Beziehungen. Allgemeine Resilienz, Spiritualität und positive/funktionale Bewältigungsstrategien haben ebenfalls eine schützende Wirkung.
Im dritten von vier Teilen werden die Behandlungsmöglichkeiten von Suizidalität beschrieben.