Verhaltenssüchte: Entstehung

Verhaltenssüchte: Entstehung

Im zweiten Beitrag zum Thema Verhaltenssüchte wird ein Blick auf die Entstehung einer Verhaltenssucht sowie deren Konsequenzen geworfen.

Teil 1: Symptome

Verhaltenssüchte sind kein seltenes Phänomen. Alleine in der Schweiz leiden rund 120’000 Personen unter problematischen Verhaltensweisen mit Suchtcharakter. Die Entstehung und Aufrechterhaltung von Verhaltenssüchten findet unter anderem aufgrund von Lernmechanismen und dem verhaltensspezifischen Suchtgedächtnis statt. Jeglicher Substanzkonsum zählt nicht als Verhaltenssucht. Die Verhaltenssüchte sind weiterhin Gegenstand von wissenschaftlichen Untersuchungen und es wurde noch keine einheitliche Einteilung definiert. Es ist umstritten, ob Verhaltenssüchte mehr Ähnlichkeit mit Substanzkonsumstörungen, Störungen der Impulskontrolle oder Zwangsstörungen aufweisen. Im ICD-11 gelten bislang nur die Glücksspielsucht und die Spielsucht als offizielle Störungsdiagnosen. Als allgemeine Merkmale einer Verhaltenssucht gelten eine längere und intensivere Durchführung des Verhaltens als beabsichtigt, mangelhafte Kontrolle über das Auftreten und die Beendigung des Verhaltens sowie Vernachlässigung wichtiger sozialer und beruflicher Aktivitäten.

Entstehung einer Verhaltenssucht
Zur Entstehung einer Verhaltenssucht tragen meist sowohl genetische und neurobiologische sowie umweltbedingte und psychische Faktoren bei. Zudem spielen Lernmechanismen eine wichtige Rolle. Der Aufrechterhaltung werden zusätzlich kognitive und Wahrnehmungsverzerrungen zugeschrieben.

Zu den genetischen Faktoren gehört eine Anfälligkeit gegenüber Suchterkrankungen. Dadurch kommt es innerhalb von Familien gehäuft zu Suchterkrankungen. Die neurobiologischen Faktoren lassen sich durch den Botenstoff Dopamin erklären. Obwohl bei Verhalten, das zu einer Verhaltenssucht führen kann, keine Substanzen konsumiert werden, so führt die Ausübung des Verhaltens dennoch zur Ausschüttung bestimmter Stoffe im Gehirn. Eine besondere Rolle kommt dabei dem Botenstoff Dopamin zu. Dopamin ist Teil des sogenannten Belohnungssystems im Gehirn. Wenn Dopamin ausgeschüttet wird, empfinden wir Freude bis hin zum Rausch. Dieses ekstatische Gefühl regt dazu an, das Verhalten zu wiederholen, um dieses Gefühl erneut zu empfinden. Wird Dopamin regelmässig ausgeschüttet, gewöhnt sich das Gehirn jedoch schnell daran. Das Verhalten findet daher in immer grösserem Ausmass statt. Das heisst, zum Beispiel bei einer Glücksspielsucht werden die Spiele immer öfters gespielt und die Einsätze immer höher. Gleichzeitig werden Verluste weniger stark wahrgenommen. Die Stärke einer Abhängigkeit zeigt sich auch an den Entzugserscheinungen. Bei Verhaltenssüchten kommt es wie bei substanzgebundenen Abhängigkeiten zu Entzugserscheinungen. Dazu gehören gereiztes und aggressives Verhalten sowie Nervosität.

Zu den umweltbedingten Faktoren gehören einerseits der Zugang zu beispielweise Casinos oder Spiellokalen. Weiter spielt die soziale Akzeptanz des Verhaltens eine Rolle. Zu den psychischen Faktoren gehören ungenügende Strategien zum Umgang mit negativen Emotionen und eine Präferenz für stimulierende Aktivitäten.

Die kognitiven und Wahrnehmungsverzerrungen führen am Beispiel der Glücksspielsucht dazu, dass die Wahrscheinlichkeit zu Gewinnen überschätzt wird und die Verluste weniger einschneidend eingeschätzt werden, als sie eigentlich sind. Dies führt zu vermehrtem Risikoverhalten und negativen Konsequenzen.

Typisch für Suchterkrankungen ist, dass das sogenannte “Liking” und “Craving” immer weiter auseinandergehen. Anfänglich wird das Verhalten ausgeführt, weil die betroffenen Personen es mögen. Mit zunehmender Suchterkrankung nimmt das “Liking” jedoch immer weiter ab. Dafür wird das “Craving”, das Verlangen nach der Aktivität, immer stärker. Das heisst, betroffene Personen finden sich in einer Situation wieder, in der sie die Tätigkeit nicht mehr mögen, jedoch immer mehr Verlangen nach deren Ausübung verspüren. Dies führt zu intrapersonellen Konflikten und negativen Gefühlen.

Konsequenzen von Verhaltenssüchten
Verhaltenssüchte führen zumeist zu schwerwiegenden negativen Konsequenzen. Im Falle einer Glücksspielsucht oder einer Kaufsucht kann dies von finanziellen Schwierigkeiten bis hin zum finanziellen Ruin reichen. Betroffene müssen oft Lügen, um ihr Problem vor dem Umfeld zu verbergen. Betroffene einer Glücksspielsucht haben ein grösseres Suizidrisiko, da die finanzielle Situation oft ausweglos scheint. Weitere Konsequenzen treten im sozialen sowie beruflichen Umfeld auf. Aufgrund einer Verhaltenssucht kann es zu Absenzen bei der Arbeit und damit verbunden Unzufriedenheit beim Arbeitgeber kommen. Aufgrund des zeitintensiven Charakters einer Verhaltenssucht werden auch soziale Kontakte vernachlässigt und es kommt häufig zur sozialen Isolation. Die Lügen führen zu weiteren sozialen Problemen, vor allem wenn Betroffene eine Familie haben, vor der sie ihre Situation verheimlichen. Je nach Verhaltenssucht treten zudem Bewegungsmangel und mangelhafte Ernährung auf.

Teil 3: Behandlung

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