Peerarbeit: Was ist ein Peer?

Peerarbeit: Was ist ein Peer?

Der erste Beitrag zum Thema Peerarbeit erklärt, was ein Peer ist, wie man zu einem Peer wird und über welche Kompetenzen ein Peer verfügt.

Die Peerarbeit ist ein neues Unterstützungsangebot in den Psychiatrien. Sie ist bezeichnend für die Recovery-Orientierung, also die Orientierung an der Genesung. Der Begriff Peer kommt aus dem Englischen und bedeutet soviel wie Gleichwertige oder Ebenbürtige. Ein Peer wird auch als Experte aus Erfahrung oder Genesungsbegleiter bezeichnet. Zu einem Peer können Personen werden, die selbst über Krankheits- und Therapieerfahrung verfügen und inzwischen wieder genesen sind. Sie teilen ihre Erfahrungen und Kompetenzen mit Patienten, die momentan mit ihrer Erkrankung am Kämpfen sind. Durch ihre eigene Erfahrungen können sich Peers auf die gleiche Ebene wie die Patienten begeben und Verständnis wie auch Hoffnung vermitteln. Sie geben auch Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen Hoffnung, dass eine Genesung möglich ist. Es gibt eine spezifische Ausbildung, die der Peerarbeit vorausgeht.

Die Peerarbeit ist noch ein junges Angebot und wird momentan schrittweise in schweizerischen Psychiatrien implementiert. Erfahrungswissen hat einen immer grösseren Einfluss auf die Strukturierung und qualitative Behandlung der Patienten. Historisch wurden psychische Krankheiten als chronisch und unheilbar angesehen. Dem steht nun die Recovery-Orientierung gegenüber, die eine Genesung anstrebt. Dies wirkt der Tabuisierung und Stigmatisierung entgegen und fördert die gesellschaftliche Akzeptanz psychischer Erkrankungen und deren Behandlung.

Begriffserklärung
Der Begriff Recovery bezeichnet Genesung, Wiedererstarkung oder Gesundung. Dieses Konzept sieht individuell sehr unterschiedlich aus und kann nicht allgemeingültig definiert werden. Es handelt sich dabei um eine Haltung oder einen Lebensstil. Recovery beinhaltet den Weg zu einem selbstbestimmten Leben unter Einbezug der Identität, Hoffnung und Individualität. Eine recovery-orientierte Arbeitseinstellung der beteiligten Fachpersonen kann diesen Prozess unterstützen.

Der Begriff Peerarbeit bezeichnet den Einbezug von Personen, die selbst eine psychische Erschütterung und Genesung erlebt haben, in den psychiatrischen Behandlungsprozess von erkrankten Menschen. Peers setzen dabei ihr Erfahrungswissen zur Unterstützung der Betroffenen ein und fungieren als Experten aus Erfahrung. Peers sind in psychosozialen und psychiatrischen Diensten, der Einzelberatung, als Dozenten, in der Anti-Stigma-Arbeit und als Vertreter in der Forschung, Arbeitsgruppen und Gremien tätig.

Wie wird man zu einem Peer?
Ein Peer hat selbst eine psychische Erschütterung und Gesundung erlebt. Durch diesen Lebensabschnitt hat ein Peer Erfahrungswissen und Strategien aufgebaut. Im Rahmen einer Weiterbildung werden diese Erfahrungen und Kompetenzen vertieft und erweitert. In der Deutschschweiz gibt es das Peer-Weiterbildungsangebot von EX-IN. In der Weiterbildung werden Basis- und Aufbaumodule abgeschlossen und qualifizieren für die kompetenten Anwendung des Erfahrungswissens in verschiedenen Bereichen.

Die Basismodule drehen sich um die Erarbeitung von gemeinsamen Erfahrungswissen, das sogenannte Wir-Wissen. Dies findet statt, indem das Erfahrungswissen der einzelnen Teilnehmer, das sogenannte Ich-Wissen, gemeinsam diskutiert und kritisch reflektiert wird. Zu den zentralen Themen der Basismodule zählen die gesundheitsfördernde Haltung, Empowerment, Erfahrung und Teilhabe, Trialog und Recovery. Die Aufbaumodule fördern Fähigkeiten und Fertigkeiten, die nicht Teil des Erfahrungswissens sind. Dazu zählen die unabhängige Betroffenenfürsprache, Beratung und Begleiten, Lernen und Lehren, Krisenintervention sowie recovery-orientiertes Assessment. Im Rahmen dieser Module lernen Peers Theorien und Methoden kennen, die sie bei der Beratung, Unterstützung und Fortbildung unterstützen.

Über welche Kompetenzen verfügt ein Peer?
Nach einer Peer-Weiterbildung verfügt Peers über diverse Kompetenzen. Peers können auf differenzierte Art und Weise über die eigenen Erfahrungen sprechen, aber auch aktiv zuhören. Zudem können sie empathisch und möglichst unvoreingenommen auf andere Menschen zugehen. Sie verfügen über ein erweitertes Verständnis über die eigene Genesungsgeschichte und bringen dadurch Wissen über genesungsfördernde Prozesse mit. Weiter kennen sie das Empowerment-Konzept und wissen es anzuwenden. Peers verstehen und vermitteln Wissen und Strategien zur Förderung der Gesundheit und des Wohlbefindens. Sie können Denkmuster hinterfragen, sowohl bei sich selbst als auch bei anderen. Zuletzt können Peers ihre eigenen Grenzen wahrnehmen und Selbstfürsorge ausüben. Damit leben sie einen gesunden Umgang in schwierigen Situationen vor.

Teil 2: Einsatzfelder der Peers

Teil 3: Peerarbeit in der Clienia

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