Schematherapie: Geschichte eines Patienten

Schematherapie: Geschichte eines Patienten

Chris ist dreissig Jahre alt und hat schon seit vielen Jahren Probleme im sozialen Kontakt. Seit einigen Wochen befindet er sich nun auf einer Station mit verhaltenstherapeutischem und interpersonalem Schwerpunkt in Littenheid. Es geht ihm heute deutlich besser, auch wenn er gesellschaftliche Situationen weiterhin gerne vermeidet.

Schon während seiner Schulzeit hatte Chris Mühe im Umgang mit anderen Menschen. Doch kam er noch einigermassen gut damit klar, weil er sich dannzumal in einem für sein Empfinden sicheren Rahmen bewegte. Dies änderte sich allerdings abrupt, als er sich wegen seiner Ausbildung in der Erwachsenenwelt hätte behaupten müssen. Die Angst, inkompetent zu wirken, verurteilt zu werden oder dass jemand etwas Schlechtes von ihm denken könnte, lähmten Chris dermassen, dass er zwei Ausbildungen abbrechen musste. Auch sein Studium gab er bald wieder auf. Die Angst davor, zu versagen, hinderte ihn, Leistung zu erbringen. Sein tiefes Selbstwertgefühl liess positive Feedbacks gar nicht erst zu, diese prallten oft ungehört bei Chris ab. Nur mit Ach und Krach leistete er Zivildienst und litt schrecklich dabei. In der übrigen Zeit verkroch er sich zu Hause.

Schematherapie bei Persönlichkeitsstörungen
Nach einem abgebrochenen Klinikaufenthalt in seinem Wohnkanton, ein paar Monaten in einer Tagesklinik und vielen ambulanten Therapiesitzungen während über zehn Jahren hatte Chris das Gefühl, an Ort und Stelle zu treten. So hat er sich für einen stationären Aufenthalt in Littenheid entschieden. Auf seiner Station arbeiten die Fachleute auf verhaltenstherapeutischer Grundlage mit evidenzbasierten Therapieverfahren. Das Behandlungsangebot setzt bei Problemen und Störungen an, bei denen eine intensive und veränderungsorientierte Psychotherapie wirksam ist. Aufgrund seiner Ängste hat man sich bei Chris’ Behandlung für das Konzept der Schematherapie ausgesprochen.

Unbefriedigte Grundbedürfnisse in der Kindheit
Ein Schema ist ein typisches Muster von Gefühlen, Gedanken und Empfindungen, die das Verhalten steuern. Dieses Muster wird in der Kindheit gelernt. Wurden damals die Grundbedürfnisse häufig nicht befriedigt, können ungünstige Schemata entstehen, die sich negativ auf das Leben des Betroffenen und auf seine Beziehungen auswirken können. Chris hatte einen Vater, der distanziert und emotional nicht zugänglich war. Er schaffte es nicht, Chris das Gefühl zu geben, wertvoll zu sein. Das Verhältnis zu seiner Mutter war zwar besser. Da sie Chris aber alle Aufgaben abnahm und alle Probleme für ihn aus dem Weg räumte, hatte sich sein Gefühl, nichts zu können, nur verstärkt. So hat Chris problembehaftete Glaubenssätze und Verhaltensmuster entwickelt, die sich auf sein ganzes Leben auswirken. In der Schematherapie geht es nun darum, die Muster, die im Lauf der Jahre entstanden sind, bewusst zu machen und so zu verändern, dass Chris seine Gefühle und sein Verhalten besser regulieren kann. Dadurch würden sich langfristig auch die psychischen Belastungen und Symptome reduzieren.

Hoffnungslosigkeit überwiegt noch immer
Obwohl Chris weiss, dass seine Persönlichkeits- und Angststörung als gut behandelbar gilt, fühlt er sich immer wieder hoffnungslos. Es ist schwierig für ihn zu glauben, dass sich seine Situation tatsächlich verbessern kann. «Ich weiss, dass ich mehr Verantwortung für mich und mein Leben übernehmen muss, wenn die Therapie Erfolg haben soll, aber im Moment kann ich mich nicht so gut dafür einsetzen», sagt er. «Obwohl ich in den letzten Wochen Fortschritte erzielte, ist der grosse Durchbruch noch nicht gelungen. Ich möchte es aber schaffen und nicht im Vermeidungsmodus steckenbleiben».

Teil1: Einführung

Teil 2: Das Schemamodus-Modell

Teil 3: Therapeutischer Prozess

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