Komplementärmedizin in der Psychiatrie: Schmerz

Komplementärmedizin in der Psychiatrie: Schmerz

Im dritten von vier Teilen zu Komplementärmedizin in der Psychiatrie klärt Clienia über einige Methoden im Bereich Schmerzen auf.

Teil 1: Komplementärmedizin in der Psychiatrie: Definition und Einführung

Teil 2: Komplementärmedizin in der Psychiatrie: Spannungsregulation

Allgemeines zu Schmerz
Grundsätzlich gibt es verschiedene Möglichkeiten Schmerz zu definieren. Um sämtlichen Formen und Ausdrucksweisen von Schmerz gerecht zu werden, hat sich der bio-psycho-soziale-Ansatz bewährt, um Schmerz neben seinen physischen, auch mit den kognitiven und emotionalen Komponenten zu beschreiben. Dies geht mit den Forschungserkenntnissen einher, dass eine Unterscheidung zwischen körperlichem und seelischem Schmerz, nicht mehr gebräuchlich und oft nicht sinnvoll ist.

Schmerzen spielen bei psychiatrischen Krankheiten eine grosse Rolle. Sie sollten bei der Behandlung als potenzielle Ursache und/oder Folge der Erkrankung, welche mit den Schmerzen in einer ständigen Wechselwirkung steht, betrachtet werden.

Art und Rolle von Schmerz
Im psychiatrischen Kontext ist es wichtig, die Art und die Rolle oder die Funktion des Schmerzes einordnen zu können. Dabei wird Schmerz zum Beispiel als Schutz von Selbstwert betrachtet oder als symbolhafter Ausdruck eines inneren Konfliktes der betroffenen Person. Andauernde Stress-Belastungen und psychovegetative Spannungszustände (Teil 2 zu Spannungszuständen) können zu Veränderungen der Schmerzwahrnehmung führen. Schmerzen, als natürliches Alarmsignal, binden immer mehr oder minder die Aufmerksamkeit der betroffenen Person. Ein wesentlicher Baustein jeder Schmerzbehandlung liegt daher auch in der Umlenkung der Aufmerksamkeit auf die schmerzfreien Bereiche und Möglichkeiten.

Komorbiditäten
Wie bereits erwähnt können Schmerzen sowohl die Ursache, als auch Folge von psychiatrischen Krankheiten sein. Einer der stärksten Zusammenhänge mit einem psychiatrischen Störungsbild lässt sich mit Depressionen finden. Bis zu zwei Drittel aller Menschen mit einer Major Depression (Beitrag Depression) leiden an chronischen Schmerzen. Werden diese Schmerzen wirksam behandelt, so erhöht dies in der Regel auch die Wirksamkeit der konkreten antidepressiven Therapie.

Auch bei weiteren psychiatrischen Krankheiten ist die Behandlung von Schmerz essenziell, um auch den entsprechenden psychischen Leidensdruck zu reduzieren.

Herkömmliche Therapie
Die klassisch schulmedizinische Behandlungsweise von Schmerzen in der Psychiatrie erfolgt in der Regel mit anhand einer Kombination von Medikamenten und einer Form von Psychotherapie. Unterstützend, oder zum Beispiel für den Fall, dass eine betroffene Person eine konkrete medikamentöse Behandlung ablehnt, können verschiedenen komplementärmedizinische Therapiemethoden eingesetzt werden. Einige ausgewählte Methoden werden nachfolgend vorgestellt.

Physiotherapie
Physiotherapie ist nicht keine klassische komplementärmedizinische Behandlung, wird jedoch bei Schmerzen oft ergänzend zur Psychotherapie eingesetzt. Bei der Physiotherapie gilt es zwischen akuten und chronischen Schmerzen zu unterscheiden. Akuter Schmerz meint z.B. die unmittelbaren Folgen eines Unfalls oder einer Operation, während chronische Schmerzen über die normale Heildauer von Gewebe andauern. Im Falle von akutem Schmerz wird die physiotherapeutische Behandlung dem Stadium des Heilungsverlaufes angepasst. Während zu Beginn eher Techniken zur Schmerzlinderung und Entlastung im Vordergrund stehen, wird bei optimalem Heilungsverlauf vermehrt auf Mobilisation und später auf eine kontinuierliche Belastungssteigerung geachtet. Neben den physiologischen Aspekten wird dabei auch dem schrittweisen Wiedererlangen von Autonomie eine grosse Bedeutung zugeschrieben.

Bei chronischen Schmerzen geht es in der Regel darum Durchblutung zu fördern, Körperwahrnehmung zu schulen, die Ausschüttung von schmerzregulierenden Substanzen anzuregen, oder auch das Gehirn in seiner Plastizität (Veränder-/Formbarkeit) zu fördern. Durch diese psychophysiologischen Prozesse sollte die Selbstwirksamkeit, welcher ein grosser Anteil an körperlichem und geistigem Wohlbefinden zugesprochen wird, gefördert werden.

Bewegungstherapie
Bewegungstherapie erfordert ein gewisses Mass an körperlicher Funktionalität und kann möglicherweise an eine physiotherapeutische Behandlung anknüpfen. Je nach Ansatz kann dies auch in die Physiotherapie integriert werden. Clienia unterscheidet dabei zwei Stränge der Bewegungstherapie. Der eine fokussiert auf die Verbesserung oder Erhaltung des körperlichen Funktionsniveaus und kann anhand von Sport, Yoga oder Entspannungstechniken umgesetzt werden. Der andere verfolgt eher einen analytischen oder konfliktzentrierten Ansatz, wobei Bewegungen als Form von Ausdruck und körperorientierter Psychotherapie sind. So kann dies zum Beispiel Traumatisierungen zu verarbeiten oder zum Ausdruck zu bringen.

Massage
Eine Behandlungsform bei der die betroffene Person eine eher rezeptive, empfangende Rolle einnimmt, ist diejenige der Massage. Sie wird oft bei Spannungszuständen (Teil 2 zu Spannungszuständen) eingesetzt, welche auch häufig mit Schmerzen, vor allem bei stark verkrampfter Muskulatur einhergehen. Die mechanische Einwirkung der Massage kann lokale Verhärtungen oder Verklebungen lösen, die Durchblutung fördern und somit gewisse Heilungsprozesse anregen. Des Weiteren kann körperliche Berührung auch mentalen Stress reduzieren, sofern sich die betreffende Person wohl fühlt und darauf einlassen kann.

Weitere Methoden
Neben den beschriebenen gibt es auch noch weitere Therapien wie zum Beispiel Musik- Aroma- oder Craniosacral-Therapie (Aktivierung von Selbstheilungskräften durch Rhythmus), welche bei Schmerzen zum Einsatz kommen. Ähnlich wie bei Spannungszuständen  werden auch bei Schmerzen Akupunktur oder Phytotherapie eingesetzt.

Zentral bei der Auswahl von komplementärmedizinischen Methoden ist, dass sie jeweils den individuellen Bedürfnissen der betroffenen Person angepasst wird und sämtliche klinisch relevanten Aspekte berücksichtigt werden.

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